Freitag, 30. Dezember 2016

Das Leben ist schön .... von Dankbarkeit und Demut!

Normalerweise müsste ich mich jetzt den vielen Rückschauen und Wünschen anschließen. Aber mich beschäftigt etwas anderes.

Und ich beginne mit einer provokanten These: Das Leben ist schön!




Als ich das vor einigen Tagen in einem Telefonat so vor mich hinsagte, so aus ganzem Herzen und aus voller Überzeugung, weil ich mein Leben wirklich als schön empfinde, erntete ich eine Mischung aus Verbitterung und einem dicken Hadern.

Was soll am Leben schon schön sein? 

Äh ja. So ein bisschen bissig betrachtet ist das schon schwierig, das Leben schön zu finden. Besonders wenn man ein warmes Bett und ein Dach über dem Kopf hat, einen vollen Kühlschrank in der Küche stehen und genügend Geld für Nachschub und das Leben an sich auf dem Konto hat. Es ist eine Heidenaufgabe, das Leben gut zu finden, wenn ein Auto vor der Türe steht, genügend Klamotten und anderer Komfort vorhanden ist und man am Ende bis auf wenige Zipperlein echt fit ist. Gesund.

Ich. Verstehe. Das. 

Nicht. 

Was dann kam, war noch unverständlicher für mich: Ich habe MS. Nicht heilbar. Wieso ich nicht hadere? Es muss doch eine tägliche Qual für mich sein, mit MS zu leben, gar darunter zu leiden.

Ganz ehrlich, würde ich heute, fast 12 Jahre (Trulla hat im Januar ja wieder Geburtstag :-) ) nach der Diagnose immer noch damit hadern, dass ich mit MS lebe, wäre ich sicherlich jemand, der eigentlich das Leben in lebendigem Zustand beendet hat, noch bevor es wieder begann. Ich muss jetzt mal etwas deutlicher werden, weil mich solche Aussagen zutiefst verärgern.

Soll ich also klein, blass und grau Zuhause mein Leben fristen und darauf warten, dass mir vorzeitig einer das Licht ausbläst? Soll ich meine Umgebung und die Welt im Gesamten mit meinem Frust, meiner Verbitterung dafür verantwortlich machen, dass ich MS habe und dadurch immer einsamer werden, weil mich keiner mehr mag? Soll ich vielleicht nur noch das heulende Elend geben, damit alle Welt erkennt, dass ich unzufrieden und biestig bin und als Alte, deren Leben nur noch um die Erkrankung kreist, in die Geschichte eingehen? Falls ich das dann täte. Abgesehen davon.

So gesehen, ja, leben mit MS kann ab und an ganz schön schwierig sein. Und ab und an denk ich mir auch, dass ich es nicht mehr packe, aber hey, ich habs immer irgendwie um die Ecke geschoben und das Beste draus gemacht. Gut, man könnte mir (wurde ja auch schon oft) zu Lasten legen, dass ich zu viel innere Resilienz habe, zu widerstandsfähig in der Hinsicht bin, aber dafür kann ich jetzt auch nichts. Das wurde mir quasi in die Wiege gelegt. Und ich habs genutzt und entwickelt.

Aber das Leben ist nicht MS und MS ist nicht mein Leben. Die Chefin der Manege in diesem Zirkus bin ich. Und ich betrachte es als meine Aufgabe, das Beste aus dem zu machen, was ich habe. Und das ist nicht gerade wenig.

Ich bin seit 30 Jahren (wir hatten vor kurzem Jubiläum) mit dem besten Kerl der Welt zusammen, ich habe ein warmes und gemütliches Nest, einen kleinen Kater, ich habe Fähigkeiten, die ich weiter entwickelt habe, ich kann genießen und ab und an kriege ich sogar neue Klamotten und Mädelskram. Ich habe einen Job, den ich super gerne mache und der mich auf Trab hält, auch was das Lernen betrifft, für das man nie zu alt ist. Ich lebe einigermaßen sicher, habe Zugriff auf Ärzte und kann mir, manchmal mit etwas Mühe, Zugriff zu Therapien und anderen Dingen, die mir gut tun verschaffen.
Und das wirklich Schlimmste an der Sache, für diesen einen Menschen ist offenbar: Ich bin zufrieden und glücklich.

Ganz ehrlich, wir haben das Leben bekommen, dass wir es mit Leben füllen und nicht hadernd und griesgrämig abreißen wie ne Zehnerkarte von nem Solarium oder nem Fitnessstudio.
Würden wir uns nur noch mit Hadern beschäftigen und verbittert auf unserem Sofa hocken und damit ringen, wie böse uns diese Instanz, die man Schicksal nennt, mitgespielt hat, was bliebe dann? Nichts!


Ich betrachte das Leben als Gefäß, das ich fülle. Mit guten und schlechten Dingen, Gefühlen und all dem, was halt so in ein Leben gehört. Träumen, Plänen, Niederlagen und Erfolgen, Liebe und Ärger und vielem mehr. Ab und an ist es schwierig und dann wieder wunderbar leicht, aber es ist das, was mir geschenkt wurde: Mein Leben.

Bleibt also die Frage, wie man mit diesem Geschenk umgeht. Unhöflich rüde oder sorgsam?

Für mich ist es ein richtig gutes Geschenk, eines, das mir den Freiraum lässt es selbst mitzugestalten.

Und da bin ich beim Punkt: Das Leben wird dir geschenkt, aber was draus wird, das musst du schon selbst in die Hand nehmen. 

Ich habe mich für ein gutes und erfülltes Leben entschieden. Weil ich mein Geschenk nicht ungenutzt lassen will. Weil ich froh bin, da zu sein und damit hat die MS nichts zu tun. Sie begleitet mich ja, ab und an haut sie mir eins übern Kopf und dann muss ich anders entscheiden und anders handeln, aber sie hält mich nicht ab zu leben. Und klar darf man dann schimpfen, meckern und ein bisschen hadernd im Selbstmitleid baden und sich ein bisschen im Elend wälzen. Das gehört dazu.

Vergräbt man sich jedoch in dieser tiefen Verbitterung, die einem zu einem Menschen werden lässt, der nur dann zufrieden scheint, wenn es anderen noch viel schlechter geht, dann ist etwas gründlich falsch gelaufen. Man ist undankbar und hat wohl verlernt, das zu schätzen, was da ist. Schade. Das macht nämlich ziemlich einsam.

Das Leben ist schön. Sagt nicht nur ein Filmtitel, sondern auch ich. Und ich lebe es gerne. Das ist schon immer so. Seit ich Fräulein Trulla an der Backe habe, hat es sich intensiviert, ich habe mit Trulla auch gelernt, es mehr zu genießen, ich achte das, was da ist und freue mich über gute, neue Dinge und versuche auch klar zu kommen, wenns mal wieder schief liegt, dieses Leben.

Aber es ist meins und wie gesagt, ich sehe es als meine Aufgabe, es so vielfältig und gut zu leben, wie ich kann. Und da spielt die MS eine wirklich sehr untergeordnete Rolle.

Gehts Euch gut?

Ich wünsche Euch alles Liebe, Glück, Gute und Spaß für 2017!!!!

Liebe Grüße
Birgit





Bilder: pixabay.com
Text: Birgit Bauer c/o Manufaktur für Antworten UG 2016/2017


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