Dienstag, 27. März 2018

Was hat sich am meisten in deinem Leben verändert? Teil 1!

Ich war in den letzten Wochen viel unterwegs. Alles davon, jedes Ziel, jede Veranstaltung und jeder Vortrag oder jede Diskussionsrunde, an denen ich beteiligt war oder wo ich allein auf den Bühnen herum hampelte, war absolut klasse.

So gesehen, ich habs genossen. Das Rampensau - Gen schlug durch.

Bei meiner Veranstaltung, wo ich mich über Verbraucherverhalten austauschte und wo ich an mir selbst erklärte, was so geht, kam als das Thema "Fräulein Trulla und ich" aufpoppte eine spannende Frage über die ich gerade nachdenke:



Was hat sich am meisten in deinem Leben verändert?
Auf den ersten Blick: Echt viel.

Wäre auch nicht wirklich verwunderlich oder? Ich meine, so ne Diagnose wie MS ist nichts, das nichts verändern würde.

Danach kann man nicht weiter wie davor. Eigentlich ist alles anders. Irgendwie und doch, viel bleibt ja auch.

Ich hab also mal für mich aufgelistet, was so am heftigsten dem Prozess der Veränderung unterworfen war und die Liste wird sich sicher über die Zeit wieder verändern. Aber wenn ich so zurück denke, was echt anstrengend ist, weil 13 Jahre mit dem Fräulein Trulla in einer Lebensgemeinschaft, das ist nicht wenig.



Menschen ...

Das mit den Menschen war die stärkste und wohl auch härteste Veränderung. Als ich die Diagnose langsam kommunizierte wurde ich zum Beispiel gefragt, ob ich entmündigt werden müsse, weil ich es doch am Hirn und in den Nerven hab. Andere kamen mit Babysprache auf mich zu und meinten, Beschäftigungstherapie wäre hilfreich. Andere drehten sich einfach um und gingen. Ohne Abschied. Und wieder andere können bis heute nur mit Abstand was mit mir machen, weil sie es nicht vertragen, mit einer "Kranken" zusammen zu sein. Was mich oft zur Frage bringt, wer jetzt kränker ist in dem Fall.

Menschen reagieren seltsam wenn es um solche Dinge geht und ich habe angefangen, mir sehr genau zu überlegen, wen ich als Freund in mein Leben lasse und wen nicht. Auch ich habe mich von Menschen verabschiedet. Es waren Menschen, die mehr an meiner MS litten als ich und die aggressiv wurden, wenn es mir gut ging oder wenn ich etwas hatte, was sie nicht hatten. Braucht keiner ...

Beziehung ....

Was sich unmerklich aber positiv verändert hat, war  - und da bin ich voll dankbar für - die Beziehung zum Herzblatt. Sie wurde stärker, inniger und intensiver. Er hat bis heute ab und an mehr MS als ich, aber ich verstehe das, er kann nicht einschätzen, was wann so ist. Er hat es ja auch nicht. Und tut  sich somit schwer. Durch die MS haben wir gelernt oder erkannt, wie stark wir sind und wie sehr unser Zusammenhalt ist.

Wir wissen uns zu schätzen und genießen die Momente zusammen und auch wenns ab und an sauber kracht, wir wissen, was wir aneinander haben und sind da.

Und spätestens seit wir beide die Frage: Warum liebst du mich? mit Hab ich vergessen, ich tus einfach! beantworten, wissen wir, dass das alles so gut ist, wie es kam.

Ich?

Ich bin klarer geworden, habe gelernt "Nein" zu sagen. Das war wohl der härteste Job überhaupt. Der Mensch ist ja eher darauf gepolt, immer zu gefallen und in meiner Kindheit habe ich oft gesehen, wie Erwachsene in meiner Umgebung nie nein sagten, aber dann in stillen Momenten klagten. Wir sind auf Strammstehen und Jawoll getrimmt und ich lernte schnell, dass das keine gute Sache ist. Das ist ungesund. Ich bin also unbequem geworden. Erst mir selbst gegenüber und dann meiner Umwelt gegenüber. Weil ich mir selbst dessen bewusst bin, was passieren kann, wenn ich zu arg über meine Grenzen gehe und was dann passieren kann.

Abgesehen davon? Sonst? Ich bin sehr effizient und organisiert, ich glaube sonst ginge das, was ich so mache auch nicht. Ich kann Gas geben und um die Ecke denken und ab und kann Grenzen setzen. Ganz bewusst. Was auch kam, was ich manchmal an die Leine nehmen muss, ist schwarzer Humor, Ironie und Sarkasmus. Ich bin frecher geworden. Auch ein gewisser knallharter Zug hat sich ins Leben geschmuggelt. Das habe ich in den Diskussionen mit Ärzten, Ämtern und solchen Zeitgenossen gelernt. Weil normales Reden oft nicht hilft.

Aber ich bin auch dankbarer geworden, lebe bewusster. Das ist mit einer Gelassenheit verbunden, die ich ab und an spüre. Nicht immer. Zugegebenermaßen. Es gibt immer noch Menschen, die schaffen es, mich in den Wahnsinn zu treiben.

Körper ....

Ja, der wird älter, kriegt diverse Dellen, hat Kratzer im Lack und ab und an ist die Luft raus. Ich hab das gute Stück gut kennenlernen dürfen, was manchmal echt schmerzhaft und unangenehm war. Aber eigentlich mag ich ihn. Er kann nichts dafür, wenn oben im Kopf mal wieder ein Herd aufglüht und diverse Dinge dann nicht so funktionieren wie sie sollen. Allerdings muss ich zugeben, das Fräulein Trulla und ich sind in einer meist friedlichen Coexistenz unterwegs und dafür bin ich auch dankbar. Sie kann sich auch benehmen.

Ich glaube aber auch, dass man lernen muss, sich zu arrangieren und man muss ebenso verstehen, wie der Körper tickt und wie die Signale so zu deuten sind. Ab und an gehe ich bewusst über Grenzen, lote aus, wie weit ich noch laufen kann oder versuche ihn heraus zu fordern. Kann auch schief gehen, ich weiß.

Dass ich mit der steigenden Zahl der Jahre auf meinem Tacho auch ohnehin langsamer werde, mehr Zeit benötige, um mich zu erholen und zu rasten, war klar. Auch wenn ich mich lange nicht so alt fühle wie ich bin, es nagt halt trotzdem.

Wie geht es Euch damit? Was hat sich bei Euch verändert?

Geht es Euch gut?

Liebe Grüße
Birgit

Text: Birgit Bauer
Bilder: Birgit Bauer und Pixabay.com 

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